Konzertbericht

9.10.2021 - Jeff Cascaro - Herz des Soul schlägt im Stadttheater mit viel Gefühl

Jeff Cascaro Gesang und Trompete, Professor Olaf Polziehn am Flügel. Drummer Hans Decker der WDR Bigband aus Amsterdam und Kontrabassist aus Berlin.   Foto: Grex

Jeff Cascaro Gesang und Trompete, Professor Olaf Polziehn am Flügel. Drummer Hans Decker der WDR Bigband aus Amsterdam und Kontrabassist aus Berlin. Foto: Grex

Lippstadt. Wäre da nicht die Oma aus dem Ruhrgebiet gewesen, die beim Trödel für fünf Mark eine Schallplatte von Ray Charles herausgegriffen hätte, wer weiß, was aus Jeff Cascaro geworden wäre. Nun kam der Soul-Sänger am Freitagabend auf Einladung des Jazzclub Lippstadts mit seiner Band ins Stadttheater, um sich tief bis an die Wurzeln eines verborgenen Beats zu graben. Das gelang dem Ensemble in ganz besonderer Weise. Natürlich mit ganz viel Gefühl, aber auch verdammt guter Jazz-Musik.

Mit dem wahllosen Griff der Oma, die mehr als alles andere dem deutschen Schlager zugewandt war, hat sie die berufliche Laufbahn ihres Enkels wohl maßgeblich beeinflusst, denn aus Jeff Cascaro ist ein ganz feiner Soul-Sänger geworden. Da sind kein krachender James Brown und auch keine treibenden Temptations. Jeff Cascaro ist so ein Tony Bennett-, ein Sinatra-Typ, der im feinen Zwirn daherkommt, mit tänzerischer, eleganter Haltung. Er singt und klatscht, immer wieder. Der Hand-Clap ist sein hör- und sichtbares Zeichen für den Herzschlag seiner Musik.

Auch das Publikum macht dankbar mit, denn beseelt vom Soul kann man gar nicht anders, als sich dezent im Rhythmus zu wiegen. Cascaro ist ein Soul-Man der leisen Art. Grundlage für seine ausgefeilten Arrangements sind Cover-Songs vorrangig der 70er-Jahre mit Wiedererkennungswert.

Sie sind sein Korsett, doch weiter geht es in kompletter Eigenregie. Da sind Ray Charles’ „It’s Alright“, „Ode to Billy Joe“ von Bobby Gentry oder der von vielen Jazz-Musikern gespielte „Stormy Monday Blues“, die er auf sehr diffizile Art und Weise musikalisch neu interpretiert. Er scattet sich durch die Oktaven und beamt sich in die Höhen, wo er gerne ein bisschen verweilt.

Oder er greift zur Trompete, um das Thema mit neuen Motiven, Verzierungen und Riffs auszukleiden. Mit ihr verleiht er seinem Sound das klangmalerische i-Tüpfelchen. Beim „Inner City Blues“ von Marvin Gaye hat man das Gefühl, auf einer Roof Top-Bar in Manhattan abzuhängen, so gechillt kommt die Musik daher. Es ist ein süßer und unaufdringlicher, aber nicht minder aufregender Sound. Und immer wieder ist da eine abschließende kurze Hand- oder Kopfbewegung voller musikalischer Intensität. Heraus kommt ein cooler New York-Jazz, eine filigrane Mixtur aus Jazz und Soul, die dem Kopf aber auch den Musikern viel, viel Raum lässt zum Improvisieren.

Mit seinen Bandmitgliedern hat Cascaro eine ausgezeichnete Wahl getroffen. Allen voran Olaf Polziehn am Piano, Professor an der Uni Graz, der mit dem Setzen nur eines Akkordes die ganze Welt der Blues-Scales zum Ausdruck bringt. Vermindert oder erhöht, egal, was er spielt: Es geht durch Mark und Bein. In Polziehn offenbart sich eine Improvisation, die sich auch herausnimmt, von der geordneten Pentatonik in einen „Freestyle“ hinüberzugehen.

Wie feinfühlig ist da das Zusammenspiel, die die Faszination des Soul erlebbar machen und eine Musik erschaffen, die so tief in einen hineinströmt; die die Seele berührt auf eine Weise, die schwer zu erklären ist, aber funktioniert. Jeff Cascaro und Band haben es bewiesen.

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