Konzertbericht

16.1.1990 - Live-Stemstunde mit zwei Perlen des Blues

Lippstadt. Sternstunden des Jazz lassen sich nicht vorprogrammieren. Nicht einmal die Stars der Szene sind sichere Garanten für ein gelungenes Live-Erlebnis. Diese Erfahrung mußte auch der Lippstädter Jazz-Club machen, als er im vergangenen Monat „Lurrie BelTaus Chicago präsentierte, dessen Spiel weniger eine Offenbarung als vielmehr ein ausgesprochener Flop war, ähnlich aufregend wie ein warmes Glas Milch. Und dann wiederum gibt es Jazz-Nächte, bei denen stimmt einfach alles: Die Musik, die Interpreten, das Publikum und das besondere feeling. Zu einem Konzert der letzteren Art kam es jetzt am Wochenende, als Tommy „Madman“ Jones und Jeanne Carrol in Lippstadt mit „Christian Bleiming’s Boogie Boys“ gastierten. Rhythm, Blues und Boogie vom Feinsten gab es hier zu hören, wie schon seit langem nicht mehr im „Don Quichotte“ Der fast 70jährige Saxophon-Veteran „Madman“ aus Chicago blies ins Horn, daß es eine Freude war. Mit seiner unfaßbaren sprühenden Vitalität und seinem begnadeten Talent ließ er das Januar-Konzert des Jazz-Clubs zu einem Genuß werden. Trotz seines fortgeschrittenen Alters und trotz seines Gentleman-Outfits (Smoking mit Kummerbund) wirkte der in Amsterdam lebende sympathische Musiker nach seinen Soli zuweilen wie ein kleiner Junge, dem ein toller Streich gelungen war. Als eine „gran’ old lady from the South“ erwies sich Jeanne Carrol, der zweite Stargast des Abends. Eine Stimme wie ihre findet selten ihresgleichen. Nach ein paar Takten ihrer „Oldies but Goodies“ versteht man den Grund dafür, weswegen Mrs. Carrol von der Chicago Tribüne zur Bluessängerin des Jahrhunderts gekürt worden ist. Schon als sich die 1931 in Ruleville, Mississippi, geborene Sängerin vor dem Konzert im „Don Quichotte“ in leisem Ton eine Tasse Kaffee bestellte, drehte so mancher frühe Gast sich erstaunt um und mag sich gefragt haben: „Mein Gott, wie wird das bloß klingen, wenn die Lady erst singt und dann noch mit Verstärker! Mit einem Wort, es klang gewaltig. Und ebenso wie Tommy Jones eroberte sie ihr Publikum im Sturm, welches ihr wohl auch wegen der drangvollen Enge im Lokal buchstäblich zu Fußen lag 

Nicht nur als backing band für die Boogie Boys , auch zu viert sorgten Christian Bleiming (Klavier) Amandus Grund (Gitarre), Wolfgang Ohndorf (Kontrabaß) und Peter Samland (Schlagzeug) für Höepunkte. Ihr präziser Sound und die Logik ihrer Improvisationen konnten ebenso begeistern wie die gelungene Titelauswahl mit insgesamt weit über 20 Stücken. Darunter viele Oldies und Traditionais („Every day I have the blues“ „St.-Louis-Blues“, „Down-Home- Blues“) sowie Bearbeitungen von Herbie Hancock Titeln und Gershwins „Lady be good“ „We’ve got blues, we’ve got boogie, all night long“ hieß es im dritten Titel im zweiten Set. Die Jazz-Nacht im Don Quichotte voller Blues und Boogie endete leider schon um Mitternacht. 

 

Quelle: ZV Der Patriot Archiv H. W D  

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