Konzertbericht

Oktober 2012 - Ein außergewöhnliches Spiel mit Klängen

Zusammen sind sie die Sonargemeinschaft ?All Aboard?: Dirk Raulf mit seinen Saxophonen und dem Elektronik-Musiker Frank Schulte (r.).  -  Fotos: Heier

Das einzige Bass-Saxophon-Quartett der Welt mit (v.l.) Dirk Raulf, Jan Klare, Andreas Kaling und Wollie Kaiser.

Agnes Mann (Gesang) und Thorsten Drücker (Gitarre) interpretieren Lieder zu ?Undine?

Quelle: ZV Der Patriot.de - rio

Lippstadt - Es ist eine Werkschau ohne viele Worte. Alles erklärt sich aus der Musik heraus. Es ist ein breites Spektrum, das Dirk Raulf, Musiker und Komponist für Bühne, Film, Fernsehen und Hörspiel, am Freitagabend beim Gemeinschaftskonzert des Jazz-Clubs und des Städtischen Musikvereins unter dem Titel ?1,2,3,4? dem Publikum auf der Studiobühne vermittelt.

Es ist gut 30 Jahre her, dass der Kölner in seiner Heimatstadt Lippstadt gespielt hat. Als professioneller Musiker ist es hier sein erstes Konzert. Das vierteilige Premieren-Programm widmet der künstlerische Leiter der ?Lichtpromenade Lippstadt? dem Thema ?Wasser?. Es ist alles andere als eine homogene Präsentation. Es ist ein außergewöhnliches Spiel mit Klängen.

Raulf beginnt mit der Solo-Performance ?Last Ship Home?. Es ist sein aktuelles Projekt, für das er die Musik zur Film-Dokumentation ?Um alles in der Welt? erstellt. Im Hintergrund sieht man Männer auf einem Segel-Törn. Raulf improvisiert dazu, es klingt abstrakt. Bruchstückhafte Phrasierungen verbindet er mit heiser klingenden Ton-Fragmenten; dann nimmt die Musik rhythmisch an Fahrt auf, es entwickelt sich eine liebevolle Melodieführung und plötzlich befindet sich der Zuhörer auch akustisch im Film. Kabelrauschen, Knacksen: Man meint, jemand suche Funkkontakt. Frank Schulte ist dazugekommen. Er und Raulf sind die Sonargemeinschaft ?All Aboard?.

Saxofonklänge gehen eine Symbiose mit elektronisch erzeugten Tönen ein. Es entsteht ein Zufalls-Sound, der eine Unterwasserwelt beschreibt, sphärisch und bizarr ist. Mit Raulf offenbart sich ein vielschichtiger Musiker, ein Multiinstrumentalist an Bassklarinette, Klavier, Bass- und Sopransaxophon. Manchmal spielt er auch auf zwei Saxophonen gleichzeitig. Als die Sängerin Agnes Mann und Gitarrist Thorsten Drücker die Bühne betreten, taucht ?Undine? auf. Mann singt von Raulf arrangierte Lieder von Björk, France Gall oder Rammstein. Es groovt, es swingt. Das Trio wird chansonhaft, funky, balladesk, poppig und mit einer Interpretation zu Schuberts ?Des Baches Wiegenlied? sogar klassisch.

Mit Deep Schrott schließlich präsentiert sich das einzige Bass-Saxophon-Quartett der Welt. Wollie Kaiser, Andreas Kaling, Jan Klare und Dirk Raulf legen kräftig los, es wird staccatoartig hinein geblasen in die Saxophone. Es ist ein Wechselspiel zwischen vierstimmigem und präzisem Unisono-Klang. Die Eigenkompositionen und Arrangements zu Stücken von Fleetwood Mac und Bob Dylan sind raffiniert angelegt. Eine stoische Basslinie, Melodieführung und Mittelstimmen ergeben ein stark vom Rhythmus geprägtes Klangbild, das dennoch jeder Stimme Raum lässt, autark zu sein.

Eine Uraufführung erfährt das Publikum mit Raulfs ?Sieben Lieder von Hanns Eisler?, die er zum 50. Todestag des Komponisten arrangiert hat. Bekannte Melodien werden abstrahiert, doch finden immer wieder zurück in ihr Notenbett.

Die Werkschau ist keine seichte Präsentation. Auffällig ist, dass alle Musiker äußerst präsent und höchst konzentriert bei der Sache sind. Dabei wird es auch humorvoll: Andreas Kaling ?flippt? für einen Moment aus. In seiner Komposition ?When You Think of Me? prustet, stößt und schreit er in sein Mundstück hinein. Solche Improvisationen machen Spaß. Technisch holen die Bläser alles raus. Überraschungsgast ist Guido Schlegel. Gemeinsam tragen er und Raulf das Stück vor, das sie seit dem Abi-Ball am Ostendorf-Gymnasium und in der Band ?Kunst-Dünger? begleitet hat - ?Moaning? von Bob Timmons. Hier lässt Raulf den lässigen Jazzer raus. ?Vielen Dank, Sie sind sehr tapfer?, lobt Raulf sein Publikum, das um viele musikalische Einblicke reicher geworden ist.

Archiv