Lippstadt. „Bei dir ist es immer so schön“ — Theo Mackebens romantisches Evergreen hängt einem noch lange im Ohr. So anmutig war das Jazzclub-Konzert am Donnerstags in der Lippstädter Musikkneipe Werkstatt. Es sind Ohrwürmer und vor allem unbekanntere „Schönheiten“, Operetten und UFA-Filmschlager aus den zwanziger bis vierziger Jahren, die der Lippstädter Akkordeonist Andreas Hermeyer und seine Band zu neuem Leben erwecken. An seiner Seite Joffrey Bondzio (Kontrabass) und Kalle Mews (Schlagzeug). Zu ihnen gesellen sich noch weitere musikalische Gäste: der Erwitter Jazz-Gitarrist Andreas Pauw, der Münsteraner Klarinettist Georg Heinrichs und die Lippstädter Chansonnière Dagmar C. Weinert. Schummeriges rotes Licht, ein volles Haus: Es ist ein wenig so, als säße man in einer Bar am Montmartre oder in einem kleinen Varieté irgendwo an der Hamburger Freiheit. Ein Hauch kreativer Künstler-Atmosphäre weht über die Bühne, als Hermeyer sich mit einem Medley vorstellt, auf einem Instrument, das er erst seit einigen Tagen besitzt. Es ist das Akkordeon seines ehemaligen Dozenten und Mentors Hubert Deuringer. Anstatt Jazz-Standards hatte der ihm in der ersten Stunde Marika Rökks „Eine Nacht voller Seligkeit“ vorgelegt. Begeistert von dessen moderner Akkordeon-Stilistik, beeinflusste Deuringer seinen musikalischen Weg enorm. „Daher meine Affinität zur Nostalgie“, erklärt Hermeyer, der das perfekt eingespielte Erbstück lobt: „Der Ansatz ist sofort da, der Ton sofort präsent.“ Beim folgenden Deuringer-Bossa „Gedankenspiel“ demonstriert er mit vollem Griff in Tastatur und Bässe seine Vorliebe für harmonisch und melodisch üppig arrangierte Stücke. Auch mit leisen, swingenden Kompositionen von Peter Kreuder und Franz Grothe fesseln die Musiker. Lieder, zu denen man rauschende Schellack-Platten und eng umschlungene Paare in adretter Kleidung assoziiert. Gitarrist Andreas Pauw mag kleine harmonische Überraschungen, wechselt in seinen Improvisationen von Dur nach Moll oder zum Stil der spanischen Gitarre. Neben dem Swing und Walzer sind es südamerikanische und orientalisch anmutende Rhythmen wie in „Golfstrom“, die einen entschweben lassen. Ein bisschen Knef, ein bisschen Andersen: Dagmar Weinert schöpft in Liedern wie „Wenn die Sonne hinter den Dächern versinkt“ die Dramaturgie des Chansons voll aus. Sie singt, rezitiert und lässt den Titel auf der Zunge zergehen. Das Publikum wiegt sich noch einmal zu „Schließ deine Augen und träume“ oder „Ganz leise kommt die Nacht“, in denen Hermeyer — auch am Klavier — jeder Note Romantik pur einhaucht. So geht es denn auch danach leise in die Nacht.
Quelle: ZV Der Patriot GmbH - rio