Konzertbericht

9.2.2017 - Februarkonzert

Lippstadt. Die vier Instrumente stehen bereits auf der Bühne. Nein, sie stehen eigentlich gar nicht. Sie hängen an ihren Ständern und sehen dabei aus wie etwas unheimliche, über dem Boden schwebende Aliens. So ein Basssaxophon ist schon rein optisch eine beeindruckende Sache. Wird es gespielt, ist das nicht nur ein Hörerlebnis, sondern eine körperliche Erfahrung. Man kann die Schallwellen spüren, wenn sie auf einen treffen und den eigenen Leib durchdringen. Und an diesem Abend gibt es gleich vier dieser klingenden Ungetüme. Deep Schrott sei das einzige Basssaxophon-Quartett der Welt, betont Gründer Dirk Raulf. In seiner Heimatstadt Lippstadt war das Ensemble schon einmal 2012 im Rahmen einer musikalischen Werkschau des Musikers, Komponisten und Lichtpromenade-Kurators zu hören. Am Donnerstag waren Deep Schrott auf Einladung des Jazzclubs und der Musikschule in der Jakobikirche zu Gast, um ihr aktuelles Album ?The Dark Side of Deep Schrott Vol. 2? vorzustellen. Als ?the Real Heavy Metal? bezeichnen Dirk Raulf, Jan Klare, Wollie Kaiser und Andreas Kaling ihren Sound. Das ist keine bloße Wortspielerei, das sieht man schon an den von den Herren getragenen Band-Shirts. Die Progressive-Metaller Tool sind da ebenso vertreten wie die Glam-Metal-Band Extreme mit ihrem ?Pornograffitti?-Covermotiv und die Drone-Band Sunn O))). Diese Vorliebe für schwermetallische Klänge ist im Programm unüberhörbar. Geht es mit ?Our Prayer? des amerikanischen Jazzsaxophonisten und Komponisten Albert Ayler noch recht melancholisch-getragen los, so werden mit der Eigenkomposition ?Buried Alive? von Andreas Kaling ganz andere Töne angeschlagen. Schon der Titel ist reichlich Metal. Und das gilt auch für den extrem druckvollen, fast maschinell klingenden Rhythmus, mit dem das Stück unaufhaltsam vorwärtswalzt. Uraufführung in der Jakobikirche Von nervöser Energie durchpulst ist dagegen das treibende ?Beefy Heart? von Jan Klare, auf das dann das mächtige Hauptstück des ersten Sets erklingt, eine Suite aus sieben Liedern von Hanns Eisler, ?einem der genialsten Komponisten des 20. Jahrhunderts, wie Arrangeur Dirk Raulf sagt. Und tatsächlich entfaltet sich hier ein ganzer Klangkosmos, der leitmotivisch durchzogen ist vom ?Einheitsfrontlied?. Dessen strenger Marschrhythmus löst sich jedoch immer wieder ins Jazzig-Beschwingte auf. Als starke Kontraste wirken dagegen das bedrückende abstrakte Klanggemälde ?Panzerschlacht? oder das geradezu volksmusikalisch anmutende ?An die Nachgeborenen II?. Mächtig angehoben wird das Energielevel vor der Pause dann noch mal mit dem AC/DC-Gassenhauer ?Thunderstruck?, der auch in der Basssaxophon-Variante mächtig abrockt. Im zweiten Teil des Abends steht eine Uraufführung an: Von jedem der vier Musiker gibt es eine Eigenkomposition aus dem kommenden Programm ?Room?, das speziell für Kirchenräume konzipiert ist. Wobei es weniger um die sakrale Bedeutung als um den ?überakustischen? Charakter dieser Räume und den daraus resultierenden langen Nachhall geht. Entsprechend setzen die Kompositionen eher auf ruhige, langgezogene Töne. Auf verhaltene, melancholische Melodien, die sich manchmal unversehens aus repetitiven Mustern entwickeln und geradezu verloren im Raum schweben. Vor allem das überlange ?The Long Goodbye?, das Dirk Raulf einen verstorbenen Freund gewidmet hat, kreiert eine Art musikalischen Schwebezustand, in dem allerdings aufgrund der Länge auch irgendwann die Gedanken abzugleiten drohen. Einen starken Kontrapunkt setzt dann das Finale mit virtuos interpretierten Black-Sabbath-Nummern. ?Black Sabbath? gerät zum infernalischen Hörspiel, ?Iron Man? ist angemessen düster-drohend, bevor ein sehr beschwingtes ?Paranoid? das reguläre Programm abschließt. Doch dabei bleibt es natürlich nicht. Als Zugaben gibt es noch den swingenden ?Simple Song? der Residents und das jazzige ?Rainy Day Women? von Bob Dylan.

 

Quelle: ZV Der Patriot GmbH, Andreas Balzer

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